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Zielvereinbarung

Abgrenzung Zielvereinbarung - Zielvorgabe

Auf Grund der unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen bedarf es einer Abgrenzung zwischen der eigentlichen Zielvereinbarung und der Zielvorgabe.

Während sich Zielvereinbarungen nach dem MbO-Konzept als Gegenstand eines Verhandlungsergebnisses darstellen, sind Zielvorgaben einseitig durch den Arbeitgeber vorgegebene Richtwerte, die der Arbeitnehmer innerhalb des benannten Zeitraums erreichen soll.
Maßgeblich für die Abgrenzung ist die Auslegung der Erklärungen der Parteien zum Zeitpunkt der Festlegung der Ziele sowie der zu Grunde liegenden Rahmenvereinbarung (§§ 133, 157 BGB). Bei dieser Auslegung ist zunächst der Wortlaut der Erklärungen entscheidend.

Hinweis
Vereinbaren die Parteien, dass der Arbeitgeber nach der Rahmenvereinbarung befugt ist, ein Ziel „festzulegen“ oder „vorzugeben“, kann dies für eine einseitige Zielvorgabe sprechen.

Anders sieht es aus, wenn die Rahmenregelung bestimmt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Ziele „aushandeln“ oder ausdrücklich „vereinbaren“.

Daneben sind die Begleitumstände mit in die Auslegung einzubeziehen. Hierzu gehören vor allem etwaige Abreden oder Verhandlungen der Parteien im Vorfeld. Für die Auslegung der Begleitumstände kann vor allem die Dokumentation des Zielvereinbarungsgespräches herangezogen werden.

Hinweis
Hauptaugenmerk ist auf die Frage zu richten, ob der Arbeitnehmer die tatsächliche Chance hatte, als einzelner durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber eine anderweitige Regelung zu erzielen. Nur wenn dies der Fall war, kann von einer echten Zielvereinbarung gesprochen werden. Es muss also eine zumindest annähernd gleichgewichtige Machtposition vorliegen, so dass das üblicherweise bestehende Ungleichgewicht hier nicht zum Tragen kommt.

In Betracht zu ziehende Anhaltspunkte sind:

1. der Arbeitnehmer hat im Verhandlungsverfahren eigene Ziele, also z.B. auch persönliche Ziele, mit einbringen können, die vom Arbeitgeber mit in das Ergebnis der Vereinbarung aufgenommen worden sind,

2. der Arbeitgeber hat seinerseits auf Unternehmensziele verzichtet bzw. diese unter Berücksichtigung der Vorschläge des Arbeitnehmers abgeändert; der Beschäftigte darf also nicht bloß manipulativ in das Verfahren einbezogen worden sein, indem mit ihm nur über die Ziele gesprochen wurde und der Arbeitgeber mit mehr oder weniger Druck seine Vorstellungen durchsetzt

Beispiel
Verzichtet der Arbeitgeber auf die bislang durchgeführte variable Vergütung und setzt er nunmehr Zielvereinbarungen nur noch als Personalführungsinstrument ein, so wird augenscheinlich, dass er auf diese Weise versuchen will, Unternehmensziele noch strikter durchzusetzen als bisher, ohne dabei die Interessen des Beschäftigten zu berücksichtigen. Diese Absicht spricht für eine Zielvorgabe.

Die Abgrenzung von Zielvereinbarungen und Zielvorgaben ist von Bedeutung, da sich an die jeweilige Einordnung der Maßnahme verschiedene Rechtsfolgen anknüpfen. So ist sie z.B. entscheidend dafür, ob eine Entscheidung des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer verbindlich ist oder nicht, d.h. ob er diese befolgen muss oder ob der Arbeitgeber damit sein Weisungsrecht überschreitet.

Sofern es sich um eine Zielvorgabe handelt, sind die vorgegebenen Ziele für den Arbeitnehmer verbindlich, sofern sie sich innerhalb des Weisungsrechts halten. Andernfalls sind sie unverbindlich.

Zielvereinbarungen im eigentlichen Sinne sind hingegen darüber hinaus verbindlich, sofern sie eine vertragliche Einigung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellen. Eine solche ist vor allem dann zu bejahen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitgeber auf sein Weisungsrecht verzichtet.

Literatur
Plander, ZTR 2002, 155 ff.; Deich, Rechtliche Beurteilung von Zielvereinbarungen, Dissertation 2004, § 6 C.

Erreicht der Arbeitnehmer die festgelegten Ziele nicht, so kann dies in Ausnahmefällen eine Pflichtverletzung darstellen. Diese Pflichtverletzung kann u.U. durch die einschlägigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen sanktioniert werden.

Die Nichterreichung der vereinbarten Ziele kann zur Verhängung arbeitsrechtlicher Sanktionen führen, sofern der Arbeitnehmer dadurch seine Pflicht schuldhaft verletzt.

Eine Pflichtverletzung auf Seiten des Arbeitnehmers liegt vor, wenn er seine Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise und zur rechten Zeit am rechten Ort in der geschuldeten Qualität erbringt. Bei der Zielvereinbarung besteht die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers konkret darin, mit seiner Arbeitsleistung das Erreichen der angestrebten Ziele zu verfolgen. Zu beachten ist allerdings, dass es bei Zielvereinbarungen gerade in der Natur der Abrede liegt, dass der Arbeitnehmer unter Umständen die Ziele nicht zu 100 % erreicht. Aus diesem Grund legen die Zielvereinbarungen eine Toleranzbandbreite fest, innerhalb derer der Arbeitnehmer sich nach oben und unten bewegen kann. Daher wird sein „hinreichend nachhaltiges Bemühen“ als ausreichend für die Pflichterfüllung erachtet, so dass allein die Nichterreichung der Ziele keine zu sanktionierende Pflichtverletzung darstellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Nichterfüllung der Ziele auf Umständen beruht, die der Arbeitnehmer nicht beeinflussen konnte oder die er auch sonst nicht zu vertreten hatte.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer in vorwerfbarer Weise sich nicht oder nicht hinreichend um die Herbeiführung des Erfolges bemüht hat. In der Praxis bestehen allerdings gravierende Schwierigkeiten bei der Feststellung, wann dem Mitarbeiter der Vorwurf unzureichenden Einsatzes gemacht werden kann. Dazu bedarf es für die Festlegung von Beurteilungskriterien, die allerdings stets dem jeweiligen Individuum angepasst sein müssten. So reicht der Nachweis, dass der Arbeitgeber leistungsschwächer ist als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, ebenso wenig aus wie derjenige, dass seine Arbeitsleistung unter dem Durchschnitt liegt.

Hinweis
Die Parteien haben allerdings auf Grund der Unsicherheiten die Möglichkeit, arbeitsrechtliche Sanktionsmaßnahmen auszuschließen. Regelmäßig ist dies jedoch nicht der Fall, da andernfalls der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter eine Art „Freibrief“ erteilen würde, da dieser nach eigenem Gutdünken handeln könnte und keine Sanktionen mehr zu befürchten hätte, da sogar das Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgeschlossen wäre.

Kann eine Pflichtverletzung festgestellt werden, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber die einschlägigen arbeitsrechtlichen Sanktionsmaßnahmen (insb. Abmahnung und als weitere Konsequenz daraus die verhaltensbedingte Kündigung) verhängen kann. Dies ist in der Literatur umstritten: Während das betriebswirtschaftliche Schrifttum die Anwendbarkeit mit dem Hinweis ablehnt, dass die Verhängung derartiger Sanktionen kontraproduktiv im Hinblick auf den motivatorischen Effekt des Arbeitnehmers wirke, halten Autoren mit juristischem Hintergrund die Sanktionsmaßnahmen richtigerweise für anwendbar. Schließlich ist generell anerkannt, dass im Fall von Schlechtleistungen arbeitsvertragliche Sanktionen verhängt werden könnten. Außerdem soll dem Arbeitnehmer trotz Vereinbarung des Leistungslohns nicht das Recht gewährt werden, unter Inkaufnahme von Lohnverzicht von sich aus geringere Leistungen zu erbringen. Denn auch der Arbeitnehmer, der nach Leistung vergütet wird, ist vertraglich verpflichtet, sich unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten um den Erfolgseintritt zu bemühen.


Literatur
Plander, ZTR 2002, 402, 405 ff.; Münchener Handbuch Arbeitsrecht-Berkowsky, 2. Aufl., § 137 Rn. 75; Breisig, Zielvereinbarungen, S. 135; Köppen, DB 2002, 374, 379; Deich, Rechtliche Beurteilung von Zielvereinbarungen, Dissertation 2004, § 14 B.